Jetzt wollen wir doch mal sehen, wie wir Ordnung ins Chaos kriegen!
Manchmal stehen wir alle ja ein bisschen neben uns. Das kann sich zum Beispiel darin äußern, dass wir plötzlich in der Küche sind und uns fragen: „Was wollte ich hier eigentlich?“ Manchmal kommt es aber auch dicker und wir spüren eine innere Unruhe, an die wir nicht wirklich ran kommen oder wir grübeln immer wieder über das selbe Problem nach.
Manchmal gibt es sogar Tage, an denen wir auf die Frage „Was ist denn dein Problem?“ gar keine Antwort wissen – wir wissen nur, dass da irgendwas rumort und dass wir dringend mal wieder „die Festplatte defragmentieren“, also unseren Kopf aufräumen müssen. Eine einfache Kreativübung kann uns da helfen, Gefühle sichtbar zu machen, indem wir uns „ein Bild machen“, auf dem wir die Situation sehen können.
Bevor wir jetzt mit der Schritt-für-Schritt-Anleitung zu der gemalten Bestandsaufnahme beginnen, muss ich aber noch eins erwähnen: Diese Methode wird natürlich, wie es so schön heißt, „außerhalb der Heilkunde angeboten“. Wenn du das Gefühl hast, wirklich massiv unter Druck zu stehen und bei deinen Problemen Hilfe von einem neutralen und qualifizierten Begleiter zu brauchen, kann ein Kreativspiel natürlich nicht den Besuch bei einem einfühlsamen Arzt oder Therapeuten ersetzen.
Wenn es dir aber darum geht, dir Zeit für dich selbst zu nehmen, einfach mal bei dir anzukommen und Klarheit über eine bestimmte Situation zu gewinnen, hilft das Kreativspiel dir, deine von Gedanken überlagerte Intuition sichtbar zu machen. So kannst du ein wenig Abstand zu deiner Situation bekommen und „von oben draufsehen“, um dich selbst besser zu verstehen und deine Bedürfnisse klarer zu erkennen. Du kannst natürlich auch einen guten Freund oder eine Freundin bitten, das Spiel mit dir zusammen zu machen – so hast du auch gleich jemanden, mit dem du über deine neuen Erkenntnisse sprechen kannst!
Wenn du nicht nur diesen Artikel lesen, sondern es tatsächlich selbst ausprobieren willst, solltest du jetzt aufhören zu lesen, Stifte und Papier bereitlegen und dann einen Schritt nach dem anderen machen. Also lies Schrit eins, führe ihn aus, lies Schritt zwei und so weiter. Das erhöht den Überraschungseffekt und verhindert, dass dein rationaler Verstand dir dazwischen quasselt! 😉
Schritt 1: Dein Mindset
Bevor du mit dem Kreativspiel anfängst, erklärst du dir am besten noch einmal selbst, dass du nichts falsch machen kannst. Es geht weder darum, ein Bild zu malen, mit dem du einen Platz an der Kunstakademie ergattern könntest, noch darum, deine „Schwächen“ und „Fehler“ zu entdecken. Schwächen und Fehler gibt es nicht, es gibt nur Gefühle und Bedürfnisse, die Wertschätzung und Anerkennung verdienen. Freu dich also auf das, was dein Unterbewusstsein dir verraten wird, es kann ja nicht falsch sein!
Nun kannst du an eine bestimmte Situation denken, zu der du gern mehr Klarheit hättest, etwa deine Stellung innerhalb deiner Firma, deinen Platz in der Familie oder im Freundeskreis. Du kannst auch eine Frage in Angriff nehmen, die in deinem Leben immer wieder auftaucht und zu der du einfach keine befriedigende Antwort findest. Wichtig ist nur, dass du für dich formulierst, worüber du gern deine wahre eigene Meinung erfahren würdest!
Schritt 2: Dein Bild
Du brauchst kein professionelles Material, um dein Bild zu malen, im Grunde reichen ein großes Blatt Papier und ein Bleistift oder ein Kuli, du kannst das Malen aber auch zelebrieren und mit schönen farbigen Stiften malen, Details ausarbeiten, dabei deine Lieblingsmusik hören und so richtig entspannen. Wenn du gerade aber Hummeln im Hintern hast und lieber schnell weiterkommen möchtest, ist es völlig in Ordnung, wenn du nur Skizzen machst, die als Gedächtnisstütze reichen. Ich kann dir aber aus Erfahrung sagen, dass viele Menschen nach dem Kreativspiel so begeistert von ihrem Bild sind, dass sie es gern aufheben oder sogar einrahmen, weil sie das Gefühl haben, noch nie so ein persönliches Bild gemalt zu haben. Es ist also nicht schlimm, wenn das Bild dir selber gefällt! 😉
Damit das Kreativspiel als gemalte Bestandsaufnahme funktioniert, gibt es beim Motiv eine kleine Regel: Du solltest fünf verschiedene … irgendwas malen. Du kannst fünf Tierarten in einem Zoo oder auf der Wiese malen, fünf Verkehrsmittel, oder fünf verschiedene Menschen auf einem Marktplatz, fünf Meeresbewohner unter Wasser. Wähl einfach das Motiv, das dich spontan inspiriert und dann leg los und mal dein Bild!
Schritt 3: Freies Assoziieren
Wenn dein Bild fertig ist, kommt der Teil des Spiels, mit dem du dein rationales Denken überlisten kannst: das freie Assoziieren! Dazu brauchst du deinen Stift und zwei Zettel, einen, um Notizen zu machen, einen, um das Geschriebene Zeile für Zeile zuzudecken. Nun schreibst du die erste Zeile. In die erste Zeile kommen die fünf Wesen, die ganz intuitiv auf deinem Bild aufgetaucht sind.
Wenn du Tiere gemalt hast, schreibst du eben zum Beispiel Kuh – Schwein – Gänse – Bär – Tiger in eine Reihe. Nun springst du in deiner Reihe wild hin und her und schreibst sofort, ohne nachzudenken, auf, was dir als erstes zu den einzelnen Wörtern einfällt. Bär – groß, Gänse – Schnattern, und so weiter. Hast du die zweite Zeile mit fünf neuen Wörtern fertig, deckst du die oberste Zeile zu, sodass du nur noch die zweite Zeile sehen kannst und springst sofort wieder los. Schnattern – Krach, groß – stark. Dann deckst du die zweite Reihe zu, sodass du nur noch die dritte sehen kannst und machst weiter mit deiner Assoziationskette, bis du fünf Zeilen gefüllt hast. Je schneller du deine Liste anlegst, umso besser – und intuitiver – wird sie.
Jetzt kannst du das Deckblatt hoch nehmen und siehst vor dir fünf senkrechte Spalten mit jeweils fünf Wörtern, die dir mehr über deine Gefühlswelt verraten, als reines Grübeln das jemals gekonnt hätte. Du kannst nun die Eigenschaften den einzelnen Wesen auf deinem Bild ganz klar zuordnen. Als Beispiel: Unter deinem Bären steht jetzt vielleicht die Assoziationskette: Bär – groß – stark- sicher – Beschützer. Wenn dir das die Orientierung erleichtert, kannst du die Wortketten auch direkt in deinem Bild bei den einzelnen „Personen“ (die Personen können ja auch ein Fahrrad, ein Sportwagen und ein Flugzeug sein) eintragen. Und jetzt kommt der spannende Teil!
Schritt 4: Die Interpretation
Du siehst nun dein Bild vor dir mit fünf „Repräsentanten“ deiner Situation, denen du durch freies Assoziieren Eigenschaften zugeordnet hast. Jetzt kommt der spannende, aufregende Teil des Spiels, die Entdeckungsreise, die manchmal ein bisschen Detektivarbeit erfordert, manchmal aber auch dazu führt, dass du dir sofort spontan vor die Stirn klatscht und rufst: „Wieso bin ich da nicht gleich drauf gekommen?“
Du kannst nämlich jetzt auf deinem Bild die Situation sehen, über die du dich mit dir selbst vor dem Spiel geeinigt hast, um sie zu erforschen. Nehmen wir einmal an, du wolltest mehr über deine Position am Arbeitsplatz wissen und die informellen Strukturen besser verstehen. Wer ist da jetzt zum Beispiel der bunte Hahn, der immer laut kräht und die Federn spreizt, aber sich nur aufplustert? Wer ist der starke Bär, der immer die Ruhe bewahrt und Sicherheit und Schutz ausstrahlt? Wer bist du, mit dem kannst du dich spontan oder nach einigem Nachdenken am besten identifizieren? Und vor allem: Wo sind deine positiven Eigenschaften und Stärken?
Stellst du vielleicht verschämt fest, dass du innerhalb deiner Familie die Meckerziege bist? Vielleicht stimmt es ja, dass du manchmal meckerst, weil du das Gefühl hast, dass niemand dir richtig zuhört und du immer übergangen wirst. Gehört und wahrgenommen zu werden sind aber gerechtfertigte und sehr positive Bedürfnisse, für die du jetzt neue Ausdrucksmöglichkeiten finden kannst, wenn du keine „Mecker“-Ziege mehr sein willst, sondern eine tolle Ziege, die ihre liebenswerten Eigenschaften so richtig zum Glänzen bringt! Denn Ziegen sind sehr ausdauernde, fürsorgliche, wissbegierige Geschöpfe, die auch in schwierigem Gelände erstaunlich sicher ihren Weg finden und ständig dazu lernen!
Hey, merkst du, wie deine Wahrnehmung der Situation sich verändert? Jetzt denkst du nicht mehr „Mist, ich bin eine olle Meckerziege!“, du denkst: „Wow, ich bin eine fürsorgliche Ziege, die ausdauernd für ihre Familie sorgt! Kein Wunder, dass ich auch manchmal mecker, das ist mein Job!“ Mit diesem frisch aufgeblühten Selbstwertgefühl kannst du dich dann daran machen, zu überdenken, wie du deine Bedürfnisse in Zukunft positiver formulieren kannst, denn dadurch machst du es deinen Zicklein und dem Bock einfach leichter, auf deine klar und ohne Vorwurf formulierten Bitten zu reagieren!
Wenn du das Bild gemalt hast, um dir eher über eine Situation in deinem Inneren klar zu werden, kannst du auf dem Bild die verschiedenen Persönlichkeitsanteile sehen. Niemand von uns ist nur fröhlich, nur mutig, nur depressiv oder nur clever. Wir sind alle immer ganz vieles auf einmal, nur sind die Gefühle und Kräfte, die in uns wirken oft verschieden stark, je nachdem, welches „Image“ wir vor uns selbst haben. Und manchmal arbeiten die inneren Kräfte auch gegeneinander, weil wir uns ihrer nicht bewusst sind.
Siehst du auf dem Bild vielleicht die neugierige junge Katze in dir, die sich unabhängig und frei auf den Weg machen will, um neue Abenteuer zu entdecken? Und steht ihr vielleicht ein innerer Verhinderer im Weg, der die Katze davor bewahren will, sich in Gefahr zu begeben? Und wie können die beiden sich so einigen, dass die Katze ihre Erfahrungen machen kann, aber der Verhinderer beruhigt ist, weil sie sofort nach Hause kommen wird, wenn sie Hilfe braucht?
Wenn du dich mit den einzelnen Personen im Bild näher befasst hast, kannst du untersuchen, wie sie zueinander stehen. Wer blickt wen an, wer wendet sich ab? Wer ist mitten im Geschehen und wer schwebt als abgehobener Hubschrauber über der Szene, hat aber den besten Überblick? Wer sieht vielleicht ganz klein und schutzbedürftig aus und wer bietet Sicherheit und strahlt Ruhe aus? Wenn du diese Relationen, die uns im alltäglichen Gewimmel oder gewohnten Beziehungen oft gar nicht bewusst werden, auf deinem eigenen Bild klar sehen kannst, kannst du auch darüber nachdenken, was du gern verändern würdest – oder womit du sehr zufrieden bist, so wie es ist.
Schritt 5: Chillen und Grinsen
Jetzt hast du es geschafft: Du hast dir im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild gemacht. Du hast deine Intuition ein Bild malen lassen und dein Unterbewusstsein hat dir beim freien Assoziieren geholfen, um Klarheit in deine Gedanken zu bringen und deine Situation neu zu entdecken. Ich spreche bewusst nicht von Bewerten, denn genau darum geht es nicht. Es geht allein darum, dich dir selbst liebevoll zuzuwenden und über die Brücke deiner Kreativität bei dir anzukommen.
Wenn du Lust hast, kannst du dein Bild auch einem guten Freund zeigen und ihn fragen, was er darin sieht, vielleicht entdeckst du dadurch noch einmal ganz andere Aspekte. Wenn du Schwierigkeiten mit einer Entscheidungsfindung hast, kann die gemalte Bestandsaufnahme dir helfen, die Fakten klarer zu sehen und herauszufinden, wo es vielleicht noch klemmt.
Ich wünsche dir jetzt viel Spaß bei deiner Entdeckungsreise ins eigene Ich und freue mich, wenn du uns in den Kommentaren davon berichtest, was du mit dem Kreativspiel erlebt hast!
Teil mich, ich bin ein verzaubertes Kunstwerk!
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